100 km. 24 Stunden. Zu Fuß! Das Ziel ist klar definiert. Es ist ja nur Gehen, also kein Laufen und auch nichts Schweres tragen. Ich habe schon einiges in den letzten beiden Jahren gemacht. Beispielsweise das Spartan Race Trifecta Wochenende 2017 in Oberndorf, Tirol. Dort musste man in 2 Tagen 3 Rennen durchlaufen mit insgesamt 52 km und ordentlich Höhenmetern. Einen Monat später bin ich meinen ersten vollen Marathon in München mit einer Zielzeit von 3:35 gelaufen. Das war auch sehr hart, aber ich hatte noch keine Ahnung, wie hart der Mammutmarsch werden wird.
Mein Equipment habe ich unten in einer kurzen Liste zusammengestellt. Darunter stehen noch einige Tipps, die man auf jeden Fall beachten sollte.
Aber erst mal von Anfang an.
Einige Arbeitskollegen hatten sich angemeldet und irgendwie hat es mich gereizt, bei etwas mitzumachen, was sich auf 24 Stunden ausstreckt. Ich wusste von Beginn an, dass die Anzahl der Finisher sehr gering ist, wenn man die Anzahl der Teilnehmer in Relation setzt. Ich hatte bis jetzt jedes Rennen oder andere Herausforderung geschafft, also musst ich mir ein Ziel setzen, was zuerst unmöglich zu schaffen scheint. Mein Arbeitgeber hat es dazu einem einfach gemacht, weil sie die Kosten für das Ticket erstattet hat. Also einfach angemeldet und gewartet bis es so weit ist.
Ich war mir bewusst, dass es nicht nur um körperliche Fitness geht, sondern vor allem der Kopf eine, wenn nicht sogar die größte, Rolle spielt. Lange Läufe und Wanderungen sind für mich kein Problem, da ich regelmäßig in den bayrischen Voralpen wandern gehe. Auch harte Trainings, wie mit 2 x 20 kg Kettle-Bells den Herzogstand hochzuwandern, haben wahrscheinlich eher meine mentale Stärke trainiert, als irgendwas anderes. Ich wusste aber dort noch nicht, wie hilfreich das am 28. Juli 2018 werden wird.
Ich habe von einigen Teilnehmern gehört, dass sie eine Testwanderung mit 60 km gemacht haben. Ich halte das nach wie vor für keine gute Idee. Es wird einem schon im Vorfeld zu sehr bewusst, wie anstrengend die ganze Sache wird. Die Schmerzen, die man bei so einer Distanz hat, projiziert man auf 100 km und kommt zu dem Schluss, dass es nicht machbar sei. Die Motivation ist schon von Beginn an im Keller. Ich hatte mich während des Marsches mit jemandem unterhalten, der sich genau so mit seinen vier Freunden vorbereitet hatte. Danach waren alle so demotiviert, dass es, außer ihm, niemand überhaupt probiert hat und sind einfach nicht zum Marsch erschienen.
Die richtige und ordentliche Ernährung ist superwichtig. Ich hatte mich mit vielen Lebensmitteln eingedeckt, bei denen ich sicher war, dass ich sie auch essen werde. Vor allem kleine Portionen, die viel Energie geben sind wichtig. Noch wichtiger ist aber der Geschmack, denn Appetit oder Hunger wird man irgendwann nicht mehr haben. Also am besten Snacks mitnehmen, die man schnell runter bekommt.
Ich habe mich mit Energieriegeln, Snickers und Energiedrops eingedeckt. Aber auch salzige Snacks dürfen nicht fehlen. Es kommt irgendwann der Punkt, an dem man Süßkram nicht mehr sehen kann und da kommen Cracker und Nüsse genau richtig. Unterwegs hatte uns jemand seine Landjäger geschenkt, was nach all den Stunden wie ein Stück vom Himmel geschmeckt hat und uns noch mal einen besonderen Energieschub verpasst hat.
Die richtige Auswahl der Ausrüstung ist mindestens genau so wichtig, wie die richtige Verpflegung. Es schadet nicht vor dem Marsch eine Halbtagswanderung in den Bergen zu machen und dabei die Schuhe, Hose und Shirt zu tragen, die ihr zum Mammutmarsch tragen möchtet. Selbst Kleinigkeiten wie Socken scheinen zuerst trivial, aber auch dort sollten keine Experimente gemacht werden. Ich selbst habe kurze Laufsocken getragen, die den Vorteil haben, dass sie keine Nähte haben und nicht punktuell reiben.
Einen Tag vorm Mammutmarsch hatten wir unser jährliches Sommerfest. Bei jeder Firma wird so was eigentlich mit einer Grillerei und ordentlich Alkohol gefeiert. Bei uns wurde aber eine 17 km lange Wanderung in den Bergen gemacht. Nicht gerade das, was man zur Erholung machen sollte. Aber es half nichts, also wurde trotzdem mitgewandert und gehofft, dass ich es am nächsten Tag nicht all zu arg merken werde. Profi Tipp: Ruht euch vor dem Marsch aus und geht auf keinen Fall einen Tag zuvor wandern.
Unsere Truppe hat sich sich in München getroffen, von wo aus wir gemeinsam mit der S-Bahn nach Tutzing gefahren sind. Wir waren einige Stunden vorher zur Anmeldung dort und haben uns ein wenig zum Ausruhen in den Schatten gesetzt.
Wir starteten um 16:30, also eine Stunde nach der ersten Startwelle. Im 15-Minuten-Takt sind große Gruppen zur langen Reise aufgebrochen.
Relativ schnell haben sich innerhalb unserer Gruppe kleinere Untergruppen gebildet. Ich habe mich mit meinem Arbeitskollegen Trevor zusammengetan. Ich wusste, dass ich einen starken Partner brauche, wenn ich die 100 km tatsächlich packen möchte.
Die ersten 3 Stunden vergingen wie im Flug und wir waren schnell an der ersten Verpflegungsstation bei Kilometer 17 angelangt. Viele haben es sich dort schon gemütlich gemacht, aber wir wollten so viel schaffen wie möglich, bevor die Müdigkeit einsetzt. Also haben wir nur schnell unser Wasser aufgefüllt und sind sofort weitergegangen. Die anschließende Zwischendistanz haben wir ohne Gehpausen zurückgelegt. Die zweite Station lag 24 km nach der Ersten und war damit die längste Distanz zwischen den Stationen. Gut, dass wir unser Wasser aufgefüllt hatten. Es war längst Nacht, als wir gegen Mitternacht dort eintrafen. An der Station hatten wir unsere erste längere Pause von 30 Minuten. Wir haben die Zeit genutzt, um unser Wasser aufzufüllen und die Snacks vom Mammutmarsch-Team zu essen, das hauptsächlich aus Corny-Riegeln, Milchbrötchen und Bananen bestand. Dort haben wir auch schon die ersten Leute gesehen, für die die Reise an dieser Station zu Ende war. Einige waren zu erschöpft und andere hatten teilweise blutige Füße. Ich war zum Glück von größeren Blessuren verschont und hatte ab Kilometer 30 nur eine Blase an der Ferse, die ich aber sofort mit einem Blasenpflaster abgeklebt hatte. Tipp: Besorgt euch ordentliche Blasenpflaster von Compeed. Diese sind zwar etwas teuer, aber daran darf man nicht sparen.
Gut gestärkt und ausgeruht ging es weiter zur dritten Verpflegungsstation, die sich bei ca. 52 km befand. Es war ein tolles Gefühl, als wir plötzlich bei Kilometer 50 das Ortseingangsschild von München passiert haben.
Nach einer sehr kurzen Pause ging wieder ein länger Abschnitt zur vierten Station (69 km) los. Mittlerweile ging es auch ohne Stirnlampe nicht mehr weiter, da die längsten Abschnitte durch Wälder verliefen, welche selbstverständlich nicht beleuchtet waren. Dazu kam noch, dass der Appetit aussetzte und man sich zum Essen zwingen musste. Die Zeit vergeht teilweise sehr schnell und plötzlich sind wieder zwei Stunden vergangen. Viele sind vom Roten Kreuz abtransportiert worden, weil sich aufgrund von Unterzuckerung zusammengeklappt sind.
Irgendwann zwischen Kilometer 60 und 69 ist die Sonne aufgegangen. Die Füße haben mittlerweile stark geschmerzt, was aber nicht an einer Verletzung, sondern eher an der Erschöpfung lag. Da Trevor und ich keine größeren Probleme hatten, wussten wir, dass nur noch unser Kopf zwischen uns und der Ziellinie stand.
Wir hatten irgendwann früh morgens die vorletzte Verpflegungsstation bei Kilometer 69 erreicht. Es tat gut die Füße hochzulegen und ein paar Dehnübungen zu machen. Auch mal auf den Rücken zu liegen hat sehr geholfen, da das lange Aufrechtstehen sichtlich den unteren Rücken beanspruchte. Kurz bevor wir zur letzten Station aufgebrochen sind, haben wir noch ein paar Landjäger von Mammutkollegen bekommen, für die an dieser Station das Ende erreicht war. Hier hat man deutlich gemerkt, dass es kein Wettbewerb zwischen den einzelnen Läufern ist, sondern sich alle gegenseitig helfen. Ein tollen Gefühl, welches ich bisher bei noch keinem anderen Rennen erlebt habe.
Kurz darauf war auch der 70. km erreicht.
Die kommenden 13 km bis zur letzten Station auf Kilometer 82 haben sich sehr gezogen. Der Start am Tag zuvor erschien, als ob er Wochen her war. Wir lagen sehr gut in der Zeit und wussten, dass wir auch mit mehreren Zwischenpausen das Ziel in 24 Stunden schaffen können. Allerdings war die Tatsache, dass noch ca. 7 Stunden Marsch vor uns lagen, eine enorme Motivationsbremse.
Extrem erschöpft erreichten wir die letzte Station. Wir planten eine Pause von 30 Minuten. Trevor war zu diesem Zeitpunkt sehr mitgenommen und hatte Kreislaufprobleme. Nach einem 30-minütigen Nickerchen ging es ihm aber wieder besser. Ich war beeindruckt! Zu keinem Zeitpunkt war Abbrechen eine Option. Die Pause hat sich also auf ca. eine Stunde ausgedehnt, was mir aber auch sehr gut getan hatte, denn auch ich hatte die Pause bitter nötig.
An dieser Stelle war das Feld auch schon sehr dünn. An der Station war kaum mehr was los und die Mammutmarsch-Helfer haben sich um die übrigen Teilnehmen superlieb gekümmert. Zur Abwechslung gab es dort gratis Erbsensuppe und Würstchen, die eine willkommene Abwechslung zu den Bananen und Corny-Riegeln waren. Wieder einmal haben wir unser Wasser aufgefüllt und uns mit einem Gartenschlauch den Kopf abgekühlt. Dann ging es los die letzten 18 km hinter uns zu bekommen.
Die erste Stunde ging durch ein kleines Waldstück bergauf, bis man zu offenen Feldern gelang. Die nächsten zwei Stunden waren dann sehr hart, weil wir ohne jegliche Schatten mitten durch die Mittagshitze bei über 30 Grad marschierten.
Dieses lange Stück hat sich dann bis auf Kilometer 94 gezogen, als die Sanitäter mit Wasserkanistern auf einen gewartet haben. Generell hat sich die Frequenz der Sanitäter in dem letzten Abschnitt stark erhöht. Nach einer 10-minütigen Pause haben wir beschlossen, dass wir das letzte Stück ohne Pausen zurücklegen werden. Das Ortseingangsschild von Tutzing hat uns dann auch bildlich gezeigt, dass wir kurz vorm Ziel waren. Am Bahnhof vorbei sind uns auch schon die ersten Finisher entgegengekommen, die gerade dabei waren wieder nach Hause zu fahren.
Der Zieleinlauf war wieder auf dem Sportplatz. Wir wurden von einer Wasserschlauchfontäne und Applaus begrüßt. Ich war überglücklich, aber auch sehr geschafft. Nach 22 Stunden und 29 Minuten haben wir die Ziellinie überquert und unsere Medaillen bekommen. Das eiskalte Bier, das alle bekommen haben, hat wunderbar geschmeckt und wir haben es uns für eine halbe Stunde im Schatten gemütlich gemacht, bevor wir unsere Heimreise zurück nach München mit der S-Bahn angetreten haben.
Der Mammutmarsch war das Härteste was ich bis dahin gemacht habe. Natürlich war die körperliche Anstrengung außerordentlich hoch, aber ich bin dennoch der Meinung, dass der Erfolg eine reine Kopfsache ist. Selbstverständlich vorausgesetzt, dass man keine gesundheitlichen Probleme bekommt, wie aufgeriebene Füße oder gar Kreislaufzusammenbrüche. Ich habe sehr sportliche Personen gesehen, die bei Kilometer 42 abgebrochen haben, weil es ihnen zu hart war. In einer E-Mail wurde uns einige Tage später mitgeteilt, dass insgesamt 1730 Verrückte an den Start gegangen sind, von denen es 288 bis ins Ziel geschafft haben, was nur 17 % sind.
Der nächste Termin in München steht schon. Also falls Du am 27.07.2019 noch nichts vorhast, dann würde ich es zumindest mal überlegen dort mitzumachen http://www.mammutmarsch.de/munich/. Ich hatte auf jeden Fall sehr viel Spaß und habe einiges über mich selbst auf dieser langen Reise gelernt. An dieser Stelle muss ich auch noch die Organisation während des Marsches loben. In regelmäßigen Abständen waren Sanitäter zur Stelle und auch die Stationen waren ganz gut verteilt. An den Stationen selbst wurde man immer freundlich begrüßt und es wurde sich immer sehr nett um alle gekümmert.
Vielen Dank dafür!